Werte Genossix, hier die Rede unseres Ratsherrn „El Comandante“ Stadtmann in der Ratssitzung am 17.05. im Rat der Stadt Essen:
Werte Kollegen und Kolleginnen
Essen – Die Einkaufstadt. Dieser wirklich geniale Werbeslogan, hat sich wohl bei jedem alteingessenen Essenern meiner Generation auf der Festplatte eingebrannt.
Ich weiß noch als kleiner Steppke, wie die Aufregung groß war, wenn Muttern freudig verkündete: „Am Wochenende fahren wir in die Stadt“
Die Eltern gingen dann zu Wertheim einkaufen, wir Kinder freuten uns über den lustigen schwarzgekleideten Leierkasten-Mann mit den vielen Vogelstimmen und bei Roskothen durften wir uns ein Spielzeug aussuchen. Zum Abschluss, ging man dann noch schön ins Cafe Overbeck konditorn.
In den 70er, 80er und zu Beginn der 90er Jahre funktionierte das Konzept für die Essener Innenstadt prächtig. Die City war voll von Einkäufern, die Geschäfte verdienten gut und die Immobilienbesitzer konnten die Mieten in ungeahnte Höhen schrauben.
Doch diese Zeiten sind leider lange vorbei. Die inhabergeführten Geschäfte wichen den großen Laden-Ketten und die Geschäfts-Immobilien wurden sukzessive an Immobilien-Konzerne mit Sitz in Luxenburg verkauft. Und der Niedergang der Essener Einkaufsstadt fand mit der Insolvenz von Galeria Kaufhof ihren vorläufigen traurigen Abschluss.
Nun muss ein neuer Werbeslogan für die Stadt Essen her!
Tja Essen und seine Werbeslogans: Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Stadtväter in der Vergangenheit nicht unbedingt immer ein glückliches Händchen bei ihren Werbebotschaften hatten. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts rühmte man sich in Stadtwerbung und auf Urlaubspostkarten, als „Essen -Die Kanonenstadt“. Zu sehen, eine Zeichnung der dicken Bertha, die auf Franzosen schießt.
1937 prangte gar die Botschaft „Essen – die Waffenschmiede des Reiches“ auf dem Dach des Handelshofes bis einige Zeit später die allierten Bomber die Kruppschen Gußstahlwerke und 80% der Stadt Essen in Schutt und Asche gelegt haben.
Damit der neue Slogan nun auch wirklich passend wird, will die Verwaltung diesmal nichts dem Zufall überlassen und hat eine umfangreiche Vorlage auf den Weg gebracht.
Den Teil 1 der Vorlage habe ich ja bereits im Haupt- und Finanzausschuss gelobt, die Verwaltung hat wirklich alle, aus unserer Sicht, technisch möglichen Varianten untersucht und umfassend dargestellt. Wir hätten uns gewünscht, dass evtl. die Variante 3 einer ernsthaften Prüfung unterzogen worden wäre, auch wenn hier eine höhere Summe hätte investiert werden müssen. Eine Initiative zur Einwerbung von Drittmitteln hat es ja leider nicht gegeben. Aufgrund der geringeren Kosten, aus ästhetisch, städtebaulichen Gesichtspunkten und unter Betrachtung des Denkmalschutzes können wir jedoch auch mit der favorisierten Variante 2 leben.
Aber wie soll nun der neue Slogan gefunden werden? Da hat sich die Verwaltung jedoch ein Verfahren ausgedacht, welches nicht nur uns fragend zurücklässt.
Ich wünschte Frank Goosen stände jetzt hier oben und könnte im Rahmen des Tresenlesens die Vorgehensweise zur Sloganfindung erklären.
Zunächst ist Bürger:innenbeteiligung gefragt, es sollen Vorschläge von Bürger:innen gemacht werden, die dann von einer 9köpfigen Jury auswertet und gefiltert werden. Die Jury wird zusätzlich von einem Fachbeirat unterstützt. Die vorläufigen Ergebnisse sollen dann an eine Werbeagentur gegeben, die einen oder mehrere Slogans entwickelt und wiederum Rückmeldung an die Jury gibt. Die gesamten geistigen Ergüsse werden dann mal der Zahl Pi genommen und dann die 3te Quadratwurzel gezogen.
Anschließend legt die Jury dem Rat einen oder mehrere Slogans zur Entscheidung vor. Die finale Entscheidung über den Slogan trifft dann sowieso der Rat der Stadt Essen, wo dann Grünkohl mit Rats-Mehrheit sowieso den Slogan auswählt, der ihnen genehm ist.
Wem dass jetzt alles ein bißchen schnell ging, der kann gerne alles in Ruhe auf unserer Internetseite www.partei-essen.de nochmals nachlesen
Betrachten wir Teil 2 der Verwaltungsvorlage nochmal unter einzelnen Gesichtpunkten
Zunächst die #Bürgerbeteiligung
Der neue Slogan für den Handelshof, ist DAS kommunalpolitische Thema der letzten Wochen und Monate, welches die Essener Bürgerinnen am meisten bewegt und interessiert hat. Viele Einwohnerinnen sind mit Emotionen und ordentlich Herzblut bei der Sloganfindung mit dabei. In den Sozialen Medien der Funke-Mediengruppe wurde dutzende Slogans vorgeschlagen, auf essen.de gab es zahlreiche Vorschläge und selbst auf unserer bescheidenen Facebookseite wurde mehr als hundert, witzige und kreative Namensvorschläge gemacht. Beim damaligen Beschluss zur temporären Folkwangstadt war es politischer Konsens und Wunsch, die Essener Bürgerinnen bei der Sloganfindung intensiv miteinzubeziehen. Umso größer unsere Enttäuschung:
Die Bürger:innen wurden aufgefordert ihre Slogans per E-Mail zu zusenden. Per E-Mail ernsthaft jetzt? Mehr 90er Jahre geht gar nicht.
Die in der Vorlage kalkulierten10.000€ Kosten für die Bürgerbeteiligung wurden dann wahrscheinlich für Werbung per Videotext ausgegeben.
Die Sloganfindung ist doch ein kreativer Prozess, er lebt davon zusehen, welche Slogans sind bereits von anderen eingereicht worden, haben sich evtl. Freunde / Bekannte / Nachbarn beteiligt, eingereichte Slogans werden aufgenommen und wieder abgeändert, erweitert etc. Hier hätte man die Bürgerinnenbeteilung deutlich kreativer gestalten können z.B. durch die Auslobung eines Preises für den Gewinnervorschlag, einer werbewirksamen Ehrung und Übergabe durch den OB etc.
Zudem verwundert es uns, dass die Bürgerbeteilugung bereits gestartet worden ist, bevor wir uns für eine Varianten entschieden haben. Bei der Auswahl der Variante 2 sind doch die Buchstaben begrenzt und Vorschläge wie:
Essen- The city formaly known as Die Einkaufstadt fallen dann allein aus technischen Gründen durch Raster.
Ich habe die Gelegenheit genutzt und überprüft, wie die Stadt Essen denn überhaupt grundsätzlich zur Bürgerbeteiligung steht und ob es da ein Konzept oder ähnliches gibt.
Ich bin tatsächlich nach einigem Suchen auf der Internetseite der Stadt fündig geworden.
Dort findet der geneigte Sucher halbseitiges Konzept zur Bürgerbeteiligung aus dem Jahr 2010, welches den meisten Ratsleuten hier sicher völlig unbekannt sein dürfte. Auf jeden Fall kommt sehr häufig das damalige Modewort „Partizipation“ vor. Zwinkersmiley.
2 Dinge bleiben für die Zukunft bei Bürgerinnenbeteiligung in Essen aus unserer Sicht festzuhalten:
Erstens: Nicht nur unsere Innenstadt benötigt dringend ein neues Leitbild! Wir benötigen ein Leitbild wo die gewünschte Bürgerinnenbeteilugung klar definiert ist,- wo Chancen und ggf. Grenzen der Bürger:Innenbeteiligung festgelegt sind.
Zweitens: Wie kann eine gelungene Bürgerbeteiligung auch technisch umgesetzt, damit wir nicht bei der nächsten Ma wieder mit dem E-Mail Verfahren arbeiten müssen
Hier lohnt ein Blick in unsere Nachbarstadt. Die dortige Oberbürgermeisterin Karin Welge hat sich als ein zentrales Pilotprojekt in ihrer Amtszeit den Aufbau einer Online Beteiligungsplattform für Bürgerinnen auf ihre Agenda geschrieben. Ggf. besteht für die Essener Verwaltung die Möglichkeit, sich auf dem kurzen Dienstweg dort Anregungen zu holen.
Im Rahmen der Vorlage sind einige Punkte völlig ungeklärt:
Ungeklärt ist bisher, wie die 9köpfige Jury besetzt werden soll und wer dies entscheidet, ebenfalls ungeklärt ist dies beim geplanten 3köpfigen Beirat.
Und On the Top soll zur Sloganfindung auch noch eine Werbeagentur eingeschaltet werden, wahrscheinlich aus Hamburg mit Sitz Hafencity, die Essen und den Ruhrpott wahrscheinlich nur von der Landkarte her kennt.
Neben einigen Kosten und viel heißer Luft, wird es kaum neue Erkenntnisse geben. Wir sind der Auffassung, dass ein geeigneter Slogan mit Bürgerinnenbeteiligung, Jury und Beirat selbst zu finden ist und werben deshalb um Zustimmung für unseren Änderungsantrag.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit