Unter obigem Motto hatte Die PARTEI Ratsgruppe eine Aktuelle Stunde zur Causa Lindt beantragt. Mit Verweis auf die Geschäftsordnung wurde diese jedoch von Oberbürgermeister Thomas Kufen nicht genehmigt. Hier findet ihr unseren geplanten Redebeitrag:
Essen – Die Einkaufstadt. Dieser geniale Werbeslogan hat sich wohl bei jedem alteingessenen Essener und den Ruhrpottlern aus den umliegenden Städten auf der Festplatte eingebrannt.
Ich weiß noch als kleiner Steppke, wie die Aufregung groß war, wenn Muttern freudig verkündete: „Am Wochenende fahren wir in die Stadt“
Die Eltern gingen dann zu Wertheim einkaufen, wir Kinder freuten uns über den lustigen Leierkasten-Mann mit den vielen Vogelstimmen und bei Roskothen durften wir uns ein Spielzeug aussuchen. Zum Abschluss ging man dann noch schön ins Cafe Overbeck konditorn.
In den 70er, 80er und zu Beginn der 90er Jahre funktionierte das Konzept für die Essener Innnenstadt prächtig. Die City war voll von Einkäufern, die Geschäfte verdienten gut und die Immobilienbesitzer konnten die Mieten in ungeahnte Höhen schrauben.
Doch diese Zeiten sind leider lange vorbei. Die inhabergeführten Geschäfte wichen den großen Laden-Ketten und die Geschäfts-Immobilien wurden sukzessive an Immobilien-Konzerne verkauft.
Die umliegenden Ruhrgebietsstädte haben inzwischen ihre Innenstadt attraktiver gestaltet, das Centro in Oberhausen eröffnete, dann kamen das Internet und Amazon, der Online-Handel explodierte und zum Schluss gab dann die Corona-Pandemie vielen Geschäften den „sprichwörtlichen“ Rest.
Die Folge: Viele Ladenlokale in der City stehen leer, die Schaufenster sind zugeklebt, Trading Down Effekte werden befürchtet.
Was macht normalerweise ein Immobilienbesitzer, wenn er merkt, dass er die ursprüngliche Miete so nicht mehr erzielen kann? -Richtig- er muss mit der Miete runtergehen!
Doch weit gefehlt.
Denn bei den meisten Immobilien in der Essener City haben wir es mit milliardenschweren Immobilienfonds zu tun, von denen viele aus steuerlichen Gründen ihren Sitz in Luxemburg haben.
Im Rahmen eines komplizierten Bewertungssystems ist es für viele Immobilienfonds attraktiver, die Geschäfte und Ladenlokale leer stehen zu lassen als zu einem geringeren Mietpreis neu zu vermieten. Denn diese Praxis hätte eine massive Abwertung des Portfolios zur Folge, die Bonität und das Rating würde sinken.
Eine Mietpreisereduzierung hätte zudem ebenfalls Folgen für die Bewertung der umliegenden Immobilien. Nach dem Motto: „Ein Vogel scheißt dem anderen nicht ins Nest“ verzichten die Fonds also lieber auf eine Neuvermietung zu reduzierten Konditionen.
Doch die Rettung naht vom Land NRW in Form von Ministerin Scharrenbach, mit ihrem „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen 2020“.
Werfen wir noch einmal einen Blick in die ursprüngliche Zielsetzung des Programms:
- Einzelhandels-Startups so genannte Popup Stores – was immer das auch ist
- Gastronomie Startups
- Showrooms des regionalen Online-Handels
- kulturwirtschaftliche Nutzungen und so weiter
Mit der Vermietung an My Kraut, Strike.Wardrobe sowie The Outleter hat das Förderprogramm in Essen ja eigentlich einen erfolgreichen Auftakt hingelegt.
Eigentlich- Ja und dann kamen die Lindt-Schokohäschen:
Wir reden hier von der Firma Lindt, ein innovatives Start-Up mit 4,02 Mrd. Schweizer Franken Umsatz in 2020 und einem Operativen Gewinn von ca. 138 Mio. CHF.
Inzwischen beschäftigt die Causa Lindt sogar den NRW Landtag und Ministerin Scharrenbach geht auf Distanz und stellt klar „Eine Mietsubventionierung von internationalen Filialisten ist nicht intendiert“ – im politischen Sprachegebrauch heißt das übersetzt: Note 6- Setzen- und beim nächsten Mal besser machen
Auch wenn die Förderrichtlinien eine solche Vermietung zwar nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, hinterlässt dennoch die Entscheidung bei vielen Essener Bürgern und Bürgerinnen ein seltsames Gefühl.
Während viele Menschen während der Corona-Pandemie sich um ihre Jobs sorgen, in Kurzarbeit gingen oder gar entlassen wurden gibt es auf der anderen Seite die Corona-Pandemie Gewinnler .
Dax-Konzerne, die hunderttausende Mitarbeiter während der Corona Pandemie in Kurzarbeit schicken und gleichzeitig die Dividende erhöhen.
Oder wie hier in unserem Fall ein milliardenschwerer Konzern, der kurzerhand mal die Fördergelder zum eigenen Vorteil abgreift.
Aber wieso tut sich Essen bei der Nutzung des Förderprogramms so extremschwer?
Wirft man mal einen Blick in unsere Nachbarstädte, findet man etliche Ansiedlungen im Sinne des Förderprogramms
Zuletzt räumte auch die EMG ein, dass die Bewerbungen nicht in erhoffter Anzahl ankommen. Woran das liegen mag? Vielleicht an am schlechten Image der Innenstadt? Oder an den in Essen ortsüblichen Mieten, die ja nach Ablauf des Programms gezahlt werden müssten.
Vielleicht aber auch einfach nur an schlechter Kommunikation und fehlender Transparenz.
Denn arbeitet man nicht zufällig bei der EMG oder EWG, ist man politisch aktiv oder bezieht den Newsletter von IHK, Tourismus NRW dann hat man als Normalbürger und „Vielleicht-Interessent“ recht wenig von den Förder-Möglichkeiten erfahren.
Man kann nur hoffen, dass es mit dem 2. Call für die Viehofer Straße besser klappt und dass endlich massiv und lautstark kundgetan wird, dass innovative und besondere Ideen gefragt sind.
Außerdem sollten die Entscheidungen der Jury doch bitte, wie vorgesehen, im Rahmen von echten Diskussionsrunden der Jury fallen, und nicht per Vorauswahl durch die EMG und einem abschließendem Umlaufverfahren.
Es bleibt zu hoffen, dass bei den geplanten weiteren Calls die Kommunikation offener, transparenter und werbewirksamer gestaltet wird, und bei der Vermietung die eigentlichen Zielgruppen erreicht werden.
Dafür würden wir sogar eine Runde Schokohasen springen lassen.